Tirana – zwischen Sehenswürdigkeiten und Erbeben
Hallo, Du! Schön, dass Du dich zu uns verirrt hast! Wir sind Felix und Julia, zwei unglaublich reiseverliebte Menschen. Mehrere Jahre erkunden wir nun schon unseren blauen Planeten. Angefangen hat das Ganze mit .. mhm ja, wo hat das Ganze eigentlich angefangen? Vielleicht ist Felix’ Zeit in Australien schuld. Vielleicht auch unser gemeinsames Jahr in Madrid. Fakt ist: Die Reiselust ist da und sowas von unstillbar! Willst Du noch mehr über uns erfahren? Willst Du wissen, warum wir Secluded Time überhaupt gegründet haben? Dann lies doch einfach weiter!
15:45
Tuckernd nähern wir uns nach mehreren Stunden Fahrt Tirana. Letzte Nacht erst haben wir die Grenze zwischen Nordmazedonien und Albanien überquert. Unser sechswöchiger Roadtrip ist dabei sich dem Ende zuzuneigen. Doch die Hauptstadt von Albanien, die wollen wir unbedingt noch sehen. Ansonsten kennen wir das Land inzwischen richtig gut. Von schmucken Dörfern, über lange Strände und einsame Canyons haben wir gefühlt alles gesehen! Einfach traumhaft. Aber halt, wir verlieren den Faden! Zurück zu Tirana und den verbleibenden fünfzehn Minuten.
15:50
Unser Honda Mobil schleicht gemächlich den Autoschlangen hinterher, während wir unter der starken Sonneneinstrahlung vor uns hin brutzeln. Langsam werden wir schläfrig und ungeduldig. Wir wollen jetzt ankommen. Wenigstens rollen wir noch. Kurze Zeit später erreichen wir endlich die Ausläufer vom Stadtzentrum Tiranas.
– 16:00 Zeitpunkt des Bebens –
16:02
„Hey, Felix! Guck mal da! Was ist denn bei denen los? Warum stehen die alle da draußen rum? Und schauen so komisch?“ Wir passieren einen großen Kreisverkehr. Direkt neben unserem Auto scharren sich Gruppen von Menschen und gucken besorgt Richtung Himmel. Hö, das ist seltsam. Nach einem kurzen Moment der Verwunderung hinterfragen wir es jedoch nicht weiter, sondern freuen uns darüber, dass sich vor uns die Verkehrsmassen endlich zu lichten beginnen.
16:05
Auf der Straßenseite zu unserer Rechten hat sich schon wieder eine Menschentraube zusammengedrängt. Sie bilden einen Halbkreis um eine Person, die wir nicht richtig sehen können. Von ihren Bewegungen her wirkt es so, als ob sie kurz ohnmächtig gewesen wäre und nun dabei ist sich wieder aufzurichten. Wir überlegen kurz, ob wir unsere Hilfe anbieten sollen, doch es stehen bereits so viele Menschen um sie herum, dass wir wohl mehr stören als nützen würden. In der Ferne erklingt auch soeben ein albanisches Martinshorn.
16:20
Keine weiteren Zwischenfälle mehr. Nach einer etwas anstrengenden Parkplatzssuche haben wir endlich ein sicheres Örtchen für unseren Schnucki gefunden und machen uns beschwingten Schrittes auf ins Zentrum. Die Bilder von eben klingen noch nach, aber wir haben längst aufgehört sie zu hinterfragen. In der Innenstadt herrscht eine geschäftige Normalität. Alles scheint in geordneten Bahnen zu laufen. Menschen flanieren entlang der Geschäfte und keiner gibt uns irgendein besonders Zeichen.
16:25
„Boah, also dieser Turm da oben, schau dir den mal an. Der sieht unglaublich wackelig aus. Neben dem möchte ich nicht stehen, wenn es hier mal zu einem Erdbeben kommt!“ Diesen Kommentar von Julia mussten wir an dieser Stelle einfach unbedingt einfließen lassen. Ironischer könnte man diese groteske Situation nicht untermalen.
16:50
Wir schlendern durch die Stadt. Weiterhin ist die Lage völlig unauffällig. Ein paar Geschäfte sind zwar schon geschlossen, aber das schieben wir darauf, dass es bereits später Nachmittag ist.
18:00
Nach einer Besichtigung des Skanderbeg-Platz, der Universität (merke dir das!) und der „Burg“ von Tirana meldet sich der Hunger zurück. Wir haben lange nichts gegessen. Zufällig verspüren wir beide eine Sehnsucht nach Chinafood also suchen wir uns das nächste Chinesische Restaurant, wo wir uns den Bauch ordentlich vollschlagen.
19:05
Erschöpft erreichen wir den von uns auserkorenen Campingplatz nahe Tirana. Wir werden von einer freundlichen Besitzerin in Empfang genommen, die irgendwie unter Strom steht. Nachdem die wichtigsten Details für unseren Aufenthalt geklärt sind, fasst sie sich erschöpft an die Stirn. „Entschuldigung“ bricht auf Englisch aus ihr hervor. „Das Erdbeben heute hat mich etwas mitgenommen! 5,8, das haben wir hier selten…“ Wir starren sie an wie ein Auto, das bremst! Mit offenen Mündern stehen wir vor ihr. Schließlich beginnen wir zu stammeln „Welches Erdbeben? Wann? Wo?“ Entgeistert lauschen wir ihrem Bericht, dass der Boden in Tirana heute zweimal deutlich spürbar gewackelt hat. Sie erzählt von ihrer sechsjährigen Tochter, mit der sie sich zum Zeitpunkt des ersten Bebens in einem Einkaufszentrum aufgehalten hat. Ihr kleines Mädchen hat der plötzliche Erdruck ordentlich erschreckt. Glücklicherweise konnten sie sich rechtzeitig nach draußen retten.
Konsterniert verkriechen wir uns wenig später in unsere Schlafsäcke. Unsere Gedanken und Gespräche kreisen nur um ein Thema. Was um alles in der Welt ist heute passiert und wie konnten wir davon nichts mitbekommen?
08:00 am nächsten Morgen
Das erste, was wir machen, nachdem wir uns den Schlafsand aus den Augen gerieben haben, ist zu checken, ob es ein weiteres Nachbeben geben hat. Und das hat es tatsächlich. Mit einer Stärke von 4,8 hat die Erde ein weiteres Mal gezittert. Genauso wie am Vortag hat unser Honda die Erdstöße von uns ferngehalten. Wir haben die Erschütterungen vollkommen verschlafen.
Aus einem der Artikel erfahren wir, dass die Fassade der Universität (!) von Tirana bei einem der Nachbeben stark beschädigt wurde. Bilder von einem zweigeteilten Auto neben den herabgestürzten Gebäudemauern kursieren im Netz. Unglaublich! Da waren wir doch erst vor etwas mehr als fünfzehn Stunden und zu dem Zeitpunkt schien alles noch in bester Ordnung.
Auf dem Stellplatz neben uns hat es sich ein anderes deutsches Pärchen gemütlich gemacht. Auf dem Weg zum Waschhaus hören wir es auf einmal hinter uns rufen. „Sagt mal, habt ihr von dem Erdbeben gestern auch nichts mitbekommen?“ Wir schauen uns an und beginnen zu grinsen.
Nachwort: Wir wollen mit unserer Geschichte keineswegs die Dramatik der Situation schmälern. Dass die Berichterstattung einen leicht lustigen Unterton hat, liegt nur daran, dass wir es selber kaum glauben können, dass wir von diesem Erdbeben einfach Nullkommanichts mitbekommen haben. Wir fühlen natürlich trotzdem mit den Menschen, die unter den Folgen dieser Naturkatastrophe zu leiden haben.
Wie bereits erwähnt, sind leichte Beben in der Balkanregion an der Tagesordnung. Eine Erschütterung dieser Stärke ist aber Gott sei Dank selten. Glücklicherweise wurde an dem besagten 21. September 2019 niemand tödlich verletzt. Mehrere Dutzend mussten allerdings ins Krankenhaus. Traurigerweise wurde das Land nur wenige Wochen später, am 26. November 2019, von einem weitaus heftigeren Erdbeben (6,4 MW) getroffen, bei dem 51 Menschen ihr Leben verloren haben. Als uns diese Nachricht erreichte, hat uns das unglaublich getroffen. Dass die Bürger so schnell einer weiteren Katastrophe ausgesetzt sein würden, hatten wir nicht erwartet.
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